Samstag, 10. April 2010

Ruhe

Vor 8 Jahren zogen wir hierher aufs Land - der wichtigste Grund dafür waren unsere, damals zwei, Pferde, besser gesagt, Ponys, die wir bisher beim Bauern stehen hatten: teuer, unzufrieden mit dem mangelnden Einfluss auf Futter und Weidegang (24 Stunden Weide bei ständigem Zugriff (Zubiss) auf Heu und Stroh waren einfach falsch für unsere Isländer), die bei dieser Art Haltung fett und krank wurden!


Also suchten und fanden wir unser neues Zuhause, kurz danach auch ein weiteres Pferd. Inzwischen ist unser (vierblättriges Glücks-)Kleeblatt komplett und viel schlanker und fitter geworden.


Was hier sofort auffällt, ist die Ruhe, zumindest an den Sonntagen, die wir für ersten Besichtigungen unseres Hofes wählten.


Später, als wir zwecks Renovierung öfter hier waren und dann endlich auch einzogen, stellten sich andere Geräusche ein: der 7 km weiter nördlich gelegene Fliegerhorst holte seine für einige Monate in die USA ausgelagerten Tornados zurück; die absolvieren nun ihr Flugbewegungsprogramm zum Glück nicht nur über unserem Ort (im Nachbarort wohnt die Familie des Kommandanten ;-), aber gelegentlich leider auch nachts.


Die rundherum ansässigen Bauern nutzen ihre Maschinen keinesfalls zu den gesetzlich vorgesehenen Zeiten, sondern dann, wenn die landschwirtschaftlichen Aktionen es erfordern, also nachts, frühmorgens, sonntags.


Das Grundrauschen, das wir zuerst unserer evtl. sehr unruhig laufenden Heizung oder einem vom Stress herrührenden Tinitus zuschrieben, war die Kühlung der Gemüsehalle des Bauern von gegenüber.


Inzwischen hören wir dies Geräusche nicht mehr, bzw. nehmen sie nicht mehr wahr.


Vogelgezwitscher, das Krähen der Hähne in der Nachbarschaft, das Blöken unserer Schafe und das Gewieher der Pferde sind die Geräusche, die wir immer noch genussvoll aufsaugen.


Seit einiger Zeit laufe ich kilometerweit durch die grandiose Voreifellandschaft, weitab von Autostraßen und Industrielärm.

Dabei trage ich fast zwanghaft meinen iPod spazieren, warum eigentlich, war mir erstmal nicht klar.

Doch dann setzte auf einmal die Musik aus, offensichtlich hatte ich vergessen, ihn rechtzeitig aufzuladen, also musste ich den gerade begonnen Lauf stumm beenden.

Dabei kam ich dann in den Genuss der Naturgeräusche um mich herum. Begleitet von meinem eigenen Atem, den ich sonst nicht wahrnahm, hörte ich das Gezwitscher der Vögel in den Baumwipfeln über mir, den rauhen Schrei der Greifvögel, später auf dem Feld das laute Zirpen der hoch über mir fliegenden Lerchen, ein Rascheln zu meinen Füßen kündete von der Anwesenheit der kleinen hin und her flitzenden Mäuse, über die man je nach Tageszeit fast bei jedem zweiten Schritt stolperte.
Vor zwei Wochen bescherte uns der Ausbruch eines isländischen Vulkans ein Flugverbot sämtlicher sonst den Geräuschpegel belebender Flugobjekte- Und so war alle Tage Luftsonntag - die Donnervögel der Base standen mit hängenden Flügeln im Hangar, im Fernsehen sah man auf den Flughäfen lange Reiehen von abgestellten Riesenets - etwas hilflos wirkten die starken Vögel mit Strümpfen von Netzen über der Öffnung der Triebwerke - hatte man Angst, dass die Asche auch am Boden auftauchen und mit Höllentempo die Düsen verstopfen würde?
Auch, wenn in Island die Bauern von dem Spektakel auf ihrer Insel alles andere als begeistert waren und viele in ihrer Existenz bedroht waren und noch sind, genossen haben wir die Ruhe in der Luft schon, das gebe ich offen zu.
Nun ist wieder alles fast normal, aber die Ruhe, die ich mir innerlich gönne, die Außengeräusche filtere und die Musik beim Laufen nur noch gezielt einsetze und nicht mehr selbstverständlich nutze, hilft mir ,vom Alltag abzuschalten und neue Kraft zu schöpfen.
Dann bin ich einfach nur noch dankbar für alles um mich herum und ärgere mich auch nicht mehr über vereinzelt am Himmel dahinziehende Flugzeuge, deren Brummmen sich meistens genauso schnell entfernt, wie es in meinen Hörbereich gelangt ist.

Freitag, 2. April 2010

Ostern

Ich mache, wie üblich, meinen Hundespaziergang - nein, nicht ganz so wie sonst, sondern die Hunde ins Auto gepackt und zum alten Wasserturm in unserem Dorf bzw. einen Kilometer außerhalb gefahren. Der Wasserturm steht (leider) schon lange nicht mehr, aber die Einheimischen kennen die Stelle ganz genau - nun steht dort ein Wegkreuz, das vor kurzem von tatkräftigen Migliedern des Bürgervereins (geschätztes Durchschnittsalter der alten Herren ca. 75 Jahre!) in liebevoller, wochenlang andauernder Kleinarbeit, restauriert wurde. Ein Platz, der zum Ausruhen einlädt, mit einer Bank und Blick von da in die Eifel, die immerhin noch fast 20 km entfernt ist.
Nun gut, die Hunde wussten
diesen Platz denn auch auf ihre Art zu würdigen. Kaum aus dem Auto ausgestiegen, widmeten sie sich der Anzeigenrubrik der auf dem Boden ausgelegten Fährten. Frauchens "Hier" und "Komm" wurde ignoriert, bis mir der Kragen platzte und ich einen meiner seltenen lauten Kraftausdrücke von mir gab. Das wirkte und so kamen Tammi und Kazim dann auch reumütig angekrochen und ließen sich anleinen.
Den Weg hinunter in den Wald nahmen wir sozusagen im Sturmschritt, immer wieder unterbrochen von plötzlichen Stopps, wenn die Hunde, natürlich abwechselnd, abrupt stehenblieben, um die neuesten Kontaktanzeigen zu studieren.
Plötzlich sprang ein Hase aus dem Gebüsch und hoppelte mit lustigen Sprüngen vor uns her, was den großen Hund dazu animierte, energisch vorwärts zu streben; die kleine Hündin, ganz nach Terrierart, hüpfte, aufgeregt jiffend, an ihrer langen Leine auf und ab "Frauchen, lass mich los, ich will da hinterher, büdde!!!" Hätte ich ihrer Bitte Folge geleistet, hätte ich mit Sicherheit die nächste Stunde dort wartend zubringen dürfen, bis "Madame" geruhen würde, zum Ausgangspunkt ihrer wilden Verfolgungsjagd zurückzukehren. Den Hasen hätte sie nicht bekommen, das haben wir bei früheren Ausflügen dieser Art schon festgestellt. Da fehlen zum Glück noch einige km/h - aber man weiß ja nie - und der Jäger, der unter Umständen des Wegs daher kommen könnte, wäre wahrscheinlich "not amused", wenn ein Hund sein Jagdrevier durchstöbern würde.
Nun gut, der Hase verschwand im Gebüsch, die Hunde beruhigten sich wieder und wir konnten den Spaziergang endlich genießen.
Puls und Kopf kommen zur Ruhe, die Natur um uns herum trägt zur sonnigen frühlingshaften Osterstimmung bei. Die Felder zeigen sich schon in einem satten Grün, die Narzissen wiegen ihre goldenen Köpfe im leichten Frühlingswind, Schneeglöckchen, teils schon verblüht, setzen noch vereinzelt weiße Tupfen auf den grün-braunen Waldboden. Die Weidenkätzchen haben auch schon ihre pelzigen Fruchtstände entblättert; ansonsten scheinen die Bäume noch im Winterschlaf zu verharren. Schaut man allerdings etwas näher hin, so kann man doch schon die ersten grünen Blattspitzen erkennen, die vorsichtig in den Tag hinein sprießen, so als wären sie noch unsicher, ob es denn endlich Frühling werden will!
Nach dem langen Winter, der in diesem Jahr sogar bei uns im Rheinland ewig zu dauern schien, beobachte ich das Erwachen der Natur mit ganz anderen Augen. Fast kommen leichte Befürchtungen auf, dass es überhaupt nicht mehr Frühling werden wird.
So müssen unsere Vorfahren vor hunderten von Jahren empfunden haben, wenn endlich die ersten starken Sonnenstrahlen den Schnee wegtauten, die Natur sich wieder im bunten Gewand präsentierte, die Tage länger wurden, so dass man nach getaner Arbeit der Geselligkeit frönen , Feste feiern und länger draußen verweilen konnte.
Damals hatten sicher auch Frühlingsfeste, wie Ostern einen ganz anderen Stellenwert. Man kam zusammen, saß oder tanzte ums Osterfeuer, aß frisches Brot und Eier.
Die jungen Leute fanden sich zu Paaren zusammen und die Dinge des Lebens nahmen ihren Lauf.
Etwas von dieser Stimmung nehme ich auf meinen Osterspaziergängen mit und tanke Energie und Lebensfreude für ein weiteres Jahr.

Donnerstag, 1. April 2010

Unterm Regenbogen (1)

Seit fast 10 Jahren treffe ich mich immer Samstagsmorgens mit meiner Freundin, um bei einem ruhigen Ritt die Woche ausklingen zu lassen. Dabei werden wir gelegentlich von ein bis zwei anderen Freundinnen begleitet - wir nennen das unseren "Frauenverwöhnritt"!
Dabei haben wir schon allerlei Abenteuer erlebt, aber nicht, was Reiter jetzt denken.
Also keine pferdischen Kapriolen und Kunststückchen, auch kein Reiterlatein findet den Weg zur Veröffentlichung, sondern es sind vor allem die kleinen Alltagserlebnisse, die unsere Ritte unvergesslich machen.
So kreuzen regelmäßig kleine und große Wildtiere unseren Weg, morgens Hasen und Füchse, in der Abenddämmerung, die wir bei Ausweichterminen nutzen, Rehe und Hirsche.
Schön ist, dass die Tiere uns immer sehr nahe heranlassen, weil sie unsere Pferde nicht fürchten und unsere Stimmen wohl auch nicht. Denn besonders leise sind wir nicht bei unseren Ausritten.
Ein besonderes Erlebnis und für Überraschungen gut, ist immer wieder das Wetter.
Wir sind schon bei jedem Wetter geritten, sei es Regen, Hagel oder Schnee - solange meine Freundin den 35 km langen Weg zu uns findet oder schafft - gelegentlich streikt das Auto oder wie im letzten Winter, der Räumdienst - reiten wir, frei nach dem Motto: es gibt kein schlechtes Wetter nur falsche Kleidung!
Außerdem ist hier bei uns in Lüxheim das Wetter ohnehin immer besser als in der übrigen Region. Der Mann meiner Freundin hat es schon aufgegeben, sie vor jedem Ritt bei unsicherer Witterung zu warnen.
In den letzten Wochen ließ uns der Frühling nach diesem außergewöhnlich langen Winter ein wenig Sonne und laue Luft naschen, aber am letzten Wochenende zog winterliche Kälte erneut übers Land.
Allerdings trauten wir uns am Sonntagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein ohne die üblichen Mützen und Schals und langen Unterhosen aufs Pferd und auf einen längeren Ritt.
Unsere Ritte führen uns für gewöhnlich vom Dorf weg und damit ist meistens schnell ein natürlicher Abstand erreicht, der es unmöglich macht, bei plötzlichem Wetterumschwung noch einigermaßen trocken nach Hause zu gelangen.
Wir ritten also fröhlich plaudernd und der Welt damit entrückt unseren Weg am Waldrand entlang und stellten nach einiger Zeit fest, dass die Helligkeit sich zur Dämmerung wandelte. Dafür war es um 15:00 Uhr am Nachmittag aber eindeutig zu früh.
Inzwischen waren wir schon gut 3 km weit vom Dorf weg. Naja, so ein kleiner Schauer macht uns nichts aus, dachten wir uns und trotzten denn auch den ersten fallenden Regentropfen. Und tatsächlich hörte der Regen nach kurzer Zeit wieder auf, aber gerade so lange, bis unsere Jacken und Hosen wieder getrocknet waren. Wir wiegten uns also in Sicherheit, sah doch der Himmel in unserer Wetterecke südwestlich gar nicht so dramatisch aus, dass es einen verfrühten Rückweg wert gewesen wäre.
Die ersten Tropfen des nun folgenden Gusses waren eindeutig kälter und fühlten sich nahezu wie Hagelkörner an und in der Tat bleiben sie teilweise auf dem Fell unserer Pferde liegen.
Die fanden das, trotz ihrer genetischen Disposition - schließlich stammen ihre Vorfahren von der Insel im Nordmeer- überhaupt nicht komisch und strebten eilig in Richtung Heimat, die nun aber dummerweise schon ziemlich weit entfernt war.
Einen direkten Weg gab es nicht, waren wir doch in unserem reiterlichen Übermut einen Bogen geritten und so mussten wir diesen auch beenden, um wieder in Richtung des heimatlichen Stalls einschwenken zu können.
Nachdem wir uns damit abgefunden hatten, dass wir nun auf jeden Fall ausgiebig durchnässt werden würden, kehrte auch unserer gute Laune zurück, oder soll man es Galgenhumor nennen, wenn man trotz in den Nacken rinnenden Wassers, roter Ohren, klammer Hose an Oberschenkeln, nassen Sätteln und Zügeln noch Witze machen kann und vor allem die irrsinnigen Farben, die uns der Himmel präsentierte, genießen konnte.
Wir vertrieben uns die Zeit damit, uns auf die immer grandioseren Farbspiele über uns aufmerksam zu machen: die tiefgrauen Wolkenungetüme,an deren unterem Rand Regenschwaden herabhingen, die grellen Sonnenstrahlen, die unter selbigen hindurchblitzten und nicht zuletzt die Regenbögen, die sich zunächst nur am Horizont, dann aber über den ganzen Himmel und damit über uns spannten!
Und damit bewahrheitete sich die alter Reiterweisheit:
wenn Engel reiten (reisen), lacht der Himmel, auch wenn der Regenbogen (nur) die Verheißung dieses Lachens, der Sonne ist.
Auf jeden Fall fühlten wir uns eins mit der Natur und das ist schließlich der Sinn eines jeden Rittes, den wir unternehmen.