Sonntag, 18. September 2011

Regensonntag!

Heute scheint es Herbst zu werden, oder doch nur eine Generalprobe für das, was kommt?
Ich habe gelernt, im Hier und Jetzt zu leben - und doch fürchte ich mich vor der kalten Jahreszeit!
Nicht, weil ich schnell friere, da bin ich relativ unempfindlich und schmerzfrei, sondern die Schwere des Lebens, wenn man nicht mehr so ohne weiteres das Draußen mit ins Leben einbeziehen kann.
Also: erstmal die richtigen Schuhe suchen (Sattelkammer oder Schuhschrank?), die entsprechende Jacke gemäß des Vorhabens - Pferde/Hunde
oder mit dem Auto irgendwohin, wo man nach seiner Kleidung bewertet wird...
Regenschirm? eigentlich nur störend, lieber eine"kleidsame" Kappe oder Mütze auf die Frisur, die dadurch auch nicht besser wird.
Mit den Hunden raus oder zu den Pferden - wir richten uns nach dem Stand der Sonne, wenn sie scheint oder nach der Länge des Tages. Für die Tiere bedeutet das, länger im Stall oder Paddock eingesperrt sein, weil wir im Dunklen draußen nichts mehr sehen und man mit Kopf- oder Taschenlampe nicht den Überblick über gerissene Zäune oder offene Weidegatter haben kann.
Für uns: Pferdefutter heranschaffen - Heu haben wir bis dahin hoffentlich endlich bekommen! Die Nachtmahlzeit vorbereiten, den Mist rechtzeitig wegräumen...
Hunde müssen öfter mal abgeduscht werden - Matschfüße auf weißen Fliesen machen sich eben optisch einfach nicht so gut, Schuhe bleiben vor der Tür, wo man sie dann hoffentlich beim nächsten Mal auch wieder findet.
Sattelzeug trocknet zum Glück in der beheizbaren Sattelkammer!
Apropos heizen - jedes Jahr die Sorge: reicht das Öl, bis es wieder billiger wird? Hält die (neue) Heizung durch - da gibts trotzdem immer mal wieder Überraschungen! Man glaubt ja nicht, was an so einer Heizung alles ausfallen kann, vor allem an Feiertagen wie Weihnachten oder Neujahr!
Insgesamt haben wir mehr Arbeit in der kürzeren hellen Tageszeit - dafür aber längere Abende: gemütlich im warmen kuscheligen Haus -lesen, schreiben, fernsehen, gemeinsam essen, und viel länger miteinander reden oder einfach in Ruhe alleine für sich oder gemeinsam schweigen! Vielleicht auch das ein oder anderer aufräumen, reparieren oder aufarbeiten.
Also wieder im Hier und Jetzt ankommen.
Das was ich in den letzten Monaten in der Klinik gelernt habe, werde ich hoffentlich anwenden können, hoffe auch, dass mich der Alltagstrott nicht vergessen lässt, wie gut mir das Alles tut.
Jeden Tag von Neuem starten, gedanklich vorplanen und abends meditativ bewahren!
Und Danke sagen!
P.S.
ein Herbstspaziergang am Nachmittag wurde dann doch noch zum Spätersommerspaziergang!

Freitag, 16. September 2011

Abgetaucht!

Einige fragen sich, wo ich in den letzten 7 Monaten abgetaucht war!
Nun, da ich wieder aufgetaucht bin, werde ich versuchen, etwas zu erklären, zu klären, zu reflektieren...
In den letzten Jahren nahmen meine Aktivitäten stetig zu, so war auf jeden Fall mein Eindruck, ohne dass ich daran etwas hätte ändern können. Teilweise sah ich diese Zunahme noch nicht einmal, teilweise wählte ich bewusst den Weg der Anstrengung.
Damit meine ich vor allem die körperlichen Herausforderungen, denen ich mich stellte: ich begann zu joggen. Die Strecken wurden immer länger, die Bewunderung meiner Familie und meiner Freunde immer größer - schließlich gipfelte mein Triumph im Finishing zweier Marathonläufe! Dazwischen kürzere Strecken, Halbmarathon, 10km, 16 km und natürlich die langen Trainingsläufe, bei denen ich unsere schöne Landschaft zu Fuß erkundete.
Ich habe dies auch sehr genossen und hätte sicher weiter meine Grenzen ausprobiert, wäre da nicht noch der ganz alltägliche Wahnsinn gewesen: die Schule mit einem anspruchsvollen "Full-time-Programm", das sich nicht nur auf Unterrichten beschränkte, sondern Eltern- und Schülergespräche, Gutachten und Zeugnisse schreiben beinhaltete, nicht zu vergessen die Begleitung meiner Schüler auf dem Weg in ein angemessenes Berufsleben und die Betreuung entsprechender Praktika.
Dazu kam noch, viele von euch wissen es, das Managen von Haus, Hof, Familie und unserer großen Tierschar.
Vor über einem Jahr wurde ich zudem noch Großmutter und erlebe seitdem das Aufwachsen unserer Enkelin, die mit ihren Eltern im gleichen Haus wohnt, hautnah mit!
Irgendwann, im letzten Winter bekam ich immer mehr Rückmeldungen über meine mangelnde Gelassenheit, zunehmende Dünnhäutigkeit und Gereiztheit, was sonst bei mir eher selten war.
Ich selber merkte zu diesem Zeitpunkt kaum noch etwas, funktionierte nur noch nach Schema "F" und versuchte das über den Kopf wachsen der vielfältigen Aufgaben mit verstärktem Bewegungsdrang zu kompensieren. Oft wurde ich gefragt, wovor ich flüchten würde, ohne dass mir der Fluchtcharakter meiner Aktivitäten aufgefallen wäre.
Verschiedene Ereignisse, wie eine drohende schwere Erkrankung unserer Enkelin, der Tod meiner besten Freundin, Mobbingattacken im Beruf und seitens unserer Mieter, denen ich normalerweise gelassener begegnet wäre, ließen die Nerven auch für mich spürbar dünner werden.
Dann kam der Tag, Ende März, an dem ich in der Schule plötzlich einen Hörsturz bekam, dem kurz später auf dem anderen Ohr ein zweiter folgte. Ich schleppte mich noch so gerade durch den quälend langen Schultag, bevor ich auf dem Nachhauseweg meine Arzt aufsuchte.
Die Ursache für den Zusammenbruch erforschte er auch recht schnell: "Sie müssen mal einige Zeit raus aus allem" empfahl er, und "Machen Sie mal eine Zeit lang nur schöne Sachen!"
Was gab es denn für "schöne" Sachen? Erschreckt stellte ich fest, dass mir alles zu lästig, zu viel, zu anstrengend, zu grau vorkam! Was war nur aus meiner Fröhlichkeit, meinem Optimismus und meiner positiven Zukunftssicht geworden?
Nun gut, einige Dinge mussten auch trotz "Dienstunfähigkeit" erledigt werden. Da war der Brötchenlieferdienst für den Laden meines Sohnes, der mich zumindest "zwang", morgens aufzustehen. Die Pferde mussten weiter versorgt und geritten werden, obwohl meine sensibelstes Reittier mir öfter die Zusammenarbeit verweigerte, schien er doch meine düstere Stimmung zu bemerken und sie sofort als Unsicherheit zu deuten.
So funktionierte ich im Alltag weiter, inzwischen stark von meinem Mann entlastet, der mit der Situation fast genauso überfordert war wie ich selbst.
Woche um Woche vergingen, die Osterferien näherten sich dem Ende und ich geriet zunehmend in Panik bei dem Gedanken, nach den Ferien wieder zur Schule gehen zu müssen und irgendwie auch zu wollen!
Ich ging mit mir selbst hart ins Gericht, hielt ich meine Haltung doch für ausgemachte Faulheit: Ferien ohne Ende, wer wird da nicht schwach?
Da mit der Annäherung des ersten Schultages die Panik immer größer wurde, bemerkte ich, dass ich aus diesem "Loch" alleine nicht herauskommen würde und beschloss, unterstützt und ermuntert von meiner Familie, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das war aber gar nicht so leicht. Einige Adressen, die mir mein Hausarzt in die Hand drückte, telefonierte ich ab und stellte fest, dass ich mir meine Probleme langfristig hätte planen sollen, denn eine Wartezeit von mehreren Monaten ist bei Psychotherapeuten keine Seltenheit. Entsprechende Ansagen auf Anrufbeantwortern, gekrönt von dem Wunsch eines Therapeuten, doch bitte einen schriftlichen Antrag zu stellen, verwirrten und verärgerten mich zunehmend!
Gar nicht zufällig stieß ich bei Recherchen im Internet zum Thema "Burnout" immer wieder auf den Chefarzt einer Bonner Privatklinik, der kürzlich im Fernsehen seine Meinungen zum Thema erläuterte und auch ein Buch dazu veröffentlicht hatte.
So fasste ich mir ein Herz und rief in der besagten Klinik an. Dort nahm man sich sofort die Zeit, mir am Telefon zuzuhören und gab mir innerhalb von 10 Tagen einen Termin für ein Erstgespräch! Endlich fühlte ich mich ernst genommen und trat guten Muts den langen Weg nach Bonn an.
Das Gespräch mit meiner zukünftigen Therapeutin eröffnete mir dann zwei Möglichkeiten: entweder 2 bis 3 Monate stationären Aufenthalt in der Klinik oder einen Platz in der neu eröffneten Tagesklinik, die ca. 2 Wochen später starten sollte.
2 bis 3 Monate von zu Hause weg, das erschreckte mich und so entschied ich mich für den Tagesplatz, was bedeutete, dass ich ab Ende Mai täglich die knapp 60 km lange Strecke nach Bonn hin und zurück fahren würde.
Aus den zunächst geplanten und von Krankenkasse und Beihilfe bewilligten 4 Wochen wurden dann gut 3 Monate, was mir, vorher gewusst, sicherlich Bauchschmerzen beschert hätte, aber ich gewöhnte mich an die Fahrerei und habe sie ohne Unfälle und Strafzettel überstanden. Nachdem ich mich nach häufigem Ärgern über den morgendlichen Stau eine wunderbare Variante komplett auf der Landstraße entdeckt hatte, konnte ich die Zeit sogar für mich nutzen: Kaffee und Brötchen am Morgen während der Fahrt genossen, nachmittags meine Lieblingssendung oder tolle Musik gehört, so war die Stunde regelmäßig auch ein Eckpunkt auf dem Weg zu mir, sprich in die Klinik, und wieder in den Alltag, nach Hause!
Überhaupt war die achtsame Rhythmisierung des Tages ein wichtiger Bestandteil der TCM - orientierten Therapie, die das Kernstück der Arbeit der Klinik ausmachte.
Morgens begann der Tag mit Qi-Gong,
danach schlossen sich immer Gruppenstunden (wir waren mehrere Patienten) als Körper- oder Psychotherapie, danach die Einzelanwendungen: Psychotherapie, Craniosakraltherapie, Akkupunktur, Tuina im wohldurchdachten Wechsel an.
Dazwischen immer wieder Zeit zur freien Verfügung, die ich anfangs fast nur schlafend verbrachte. Ich hatte das Gefühl, einmal mit mir selbst konfrontiert, nur noch schlafen zu wollen. Die Therapien strengten mich offensichtlich mehr an, als ich mir jemals vorstellen konnte.
Nach 2 bis 3 Wochen begann ich, auch die Umgebung zu genießen. Die Tagesklinik befindet sich nicht, wie das so genannte Haupthaus in Bad Godesberg, sondern in Bonn am Oberkasseler Ufer. Dort nahm ich mein Joggingprogramm wieder auf oder setzte mich einfach bei schönem Wetter an den Rhein und las leichte Literatur.
Irgendwie kam ich mir vor wie auf einer Insel, aber eher auf der Robinsoninsel!
Gelegentlich, wenn ich Kontakt mit Menschen aus dem "richtigen" Leben hatte, fragte man mich, ob ich denn auch gut ausgeruht und entspannt sei, was mich immer wieder ins Grübeln brachte, ob ich vielleicht etwas falsch machte.
Ich fand die Zeit eher anstrengend, hatte das Gefühl, als höbe ich den Teppich auf, unter den ich jahre- bzw. jahrzehntelang alle aufkommenden Probleme geschoben hatte.
Nun, nachdem ich ein Problem angegangen hatte, entdeckte ich, dass dieses untrennbar mit anderen Problemen verwoben war, die nun auch bearbeitet werden wollten. Es nütze also nichts, die Stolpersteine im Beruf oder im privaten Umfeld isoliert zu betrachten. Ich kam mir vor wie die antike Pandora, die, einmal ihre Büchse geöffnet, nun den Deckel nicht mehr zu bekam!
Aber wie in der griechischen Mythologie war da noch die Hoffnung, die mich durchhalten ließ und so traute ich mir nach 3 Monaten den Schritt ins richtige Leben zurück zu!
Nun versuche ich, meinen Alltag nicht wieder so zuzuplanen, mir täglich kleine Inseln zu schaffen, bewusst inne zu halten, zu entschleunigen und stelle fest, dass ich längst nicht mehr soviel schaffe wie früher!
Der Schrecken darüber weicht aber der Freude über mehr Lebensqualität, der Hoffnung, die Dinge des Alltags auch wieder genießen zu können.
Ich lasse jetzt schon mal Sachen liegen, öffne die Post grundsätzlich nicht am Abend, lese meine Mails nicht nach 21:00 Uhr, schalte überhaupt den PC spätestens um 21:30 Uhr ab. Meine Pferde dürfen nun auch mal freie Tage genießen, auch wenn sie diese dann gelegentlich anders nutzen als wir uns das vorstellen (Zäune müssen natürlich unsere "Wandervögel" von ungeplanten Ausflügen abhalten!).
Ich mache mich gelegentlich unbeliebt, wenn ich Wünsche abschlage oder mich aus Geselligkeiten zurückziehe, weil ich jetzt gerade mal wieder Zeit zum Durchatmen oder Ausruhen brauche, aber für Beliebtheit auf Kosten meiner Gesundheit kann ich mir nichts kaufen!
Ich habe wieder angefangen zu joggen, weil ich merke, dass ich den dosierten Hormonkick gegen trübe Gedanken und Gefühle brauche, aber einen Marathon werde ich sicher nicht mehr laufen. mal sehen, ob hin und wieder ein "Halber" gelingt!
Nun geht’s in zwei Wochen in die Schule, mit einem hoffentlich gut durchdachten Wiedereingliederungsprogramm. Das macht mir zugegebenermaßen noch die meisten Bauchschmerzen, vor allem, weil für mich als Lehrerin außer Unterrichten keine Alternative existiert. Da würde ich mir etwas mehr Flexibilität durch Vater Staat, sprich die Bezirksregierung, wünschen.
Aber vielleicht gelingt mir ja der Komplettausstieg etwas früher als vorgesehen, vorstellen könnte ich mir das schon!

Was an Erfahrung dazu gekommen ist?
Ein klarer Tagesrhythmus hilft mir über unvorhergesehenen Belastungen hinweg!
Sich nie länger als eine Minute ärgern!
Regelmäßiger Sport sorgt für einen ausgewogenen Hormonpegel!
Kleine Inseln schaffen im Alltag ein gewisses Urlaubsgefühl!
Eine Liste der Dinge machen, die unbedingt während des Tages erledigt werden müssen - davon ein Drittel wegstreichen - der Rest reicht meistens auch noch!
Management delegieren - ich muss nicht alles selbst machen oder beaufsichtigen!
Meine körperlichen Symptome freudig begrüßen, sie weisen mich auf drohende Überlastung hin!


...und einfach mal nichts tun!