Sonntag, 15. März 2015

Ruheforst

Unter allen Wipfeln ist Ruh

...so wirbt die Website den Ruhforstes Hümmel im Internet und auf Flyern, die man unter anderem an der Schautafel am Eingang bekommen kann.

Heute wollten wir eigentlich ausreiten, aber das Wetter – der Winter kam noch einmal, wenn auch schüchtern, aber nasskalt zurück – spielte nicht so recht mit!
Raus muss ich ja in jedem Fall, also beschloss ich endlich mal dem Ruheforst in Hümmel einen Besuch abzustatten.

Das Ziel habe ich natürlich nicht zufällig gewählt, wie so Einiges am heutigen Tag nicht zufällig geschah.
Vorgestern ist meine liebe Freundin Margit ganz plötzlich gestorben – ein Schlaganfall wurde gesagt! Nichts kündigte dieses Ereignis an, noch vor ein paar Tagen gab sie einen Kommentar unter einem von mir geposteten Beitrag ab, da schien es ihr noch gut zu gehen.
Letztes Jahr habe ich sie in einer REHA-Klinik in der Nähe besucht und wir sprachen auch über Alter, Tod und Sterben, denn sie hatte sich kurz vorher in einer Senioren – Wohnanlage auf die Warteliste setzen lassen.
Kurz vor Weihnachten zog sie dann um.
Ihr Plan: man sollte sich früh genug darum kümmern, für sich sorgen zu lassen, wenn man
dazu mal nicht mehr in der Lage sein sollte. Auch über die evtl. folgenden Gebrechen des Alters sprachen wir: Margit konnte sich nur schwer vorstellen, plötzlich nicht mehr so beweglich zu sein wie gewohnt. 
Sie hatte nach einer Hüft-OP sehr drastisch erfahren, was es heißt, körperlich eingeschränkt zu sein, stellte ihre eigene Ungeduld fest und witzelte darüber! 
So gesehen war ihr plötzlicher Tod eine Gnade und sicher das letzte Geschenk Gottes an sie nach einem wirklich christlich geprägten Leben!

Nun zurück zu meinem Vorhaben, das so profan, aber gleichzeitig nachdenklich und ein wenig traurig initiiert war.


Tammi, wie immer meine Begleiterin, freute sich natürlich wieder übermäßig, mit mir laufen zu können.

Der Weg nach Hümmel führt aus dem Ort heraus entlang der Kreisstraße 79 (Falkenberger Straße) und fast 4 km an dieser entlang. Ich hätte natürlich schon vorher in den Wald abbiegen können, kannte den Weg aber nicht genau und ohne Karte im nassmorastigen Frühlingswald schien mir das doch ein wenig zu abenteuerlich! 
Auf dem Rückweg war ich dann schon etwas mutiger!

Die Abzweigung zum Ruheforst kannte ich vom Vorbeifahren schon und der Weg in den Wald hinein war recht komfortabel zu begehen. Einige Spaziergänger kamen mir entgegen und ich dachte mir, dass der weite Weg vom Parkplatz zum eigentlichen Waldstück ganz schön weit wäre, wenn man an Beerdigungsfeierlichkeiten mit entsprechender Bekleidung und Schuhwerk denkt.
Ein weiterer Parkplatz verkürzt diesen Weg zwar, doch danach wurde es wirklich wie an der Eingangstafel angekündigt, ziemlich urwaldähnlich. Gummistiefel scheinen hier Pflicht zu sein – ich stelle mir gerade schwarze Trauerkleidung mit gelben oder grünen Gummistiefeln vor.
Aber hier im Ruheforst ist ja alles etwas anders.


Am Eingang ein schlichtes Holzkreuz, darum herum frische Blumen und Kränze, die bei den letzten Begräbnisfeierlichkeiten dort abgelegt wurden.
Ein Schild weist darauf hin, dass an den Bäumen, unter denen die Urnen beigesetzt werden, keine Blumen gepflanzt werden sollen, weil alles urwüchsig und die Natur sich selbst überlassen bleiben soll.
Das macht in meinen Augen auch Sinn!
Tammi und ich wanderten einen zufällig gewählten Weg, nein, auch das konnte kein Zufall gewesen sein, wie ich später feststellte.
Der Weg wurde immer morastiger, wahrscheinlich war er nachts die Wildscheinautobahn des Waldes, so dass wir nach einigen Hundert Metern umkehrten.
Beim Zurückwandern fiel mein Blick auf einen der Bäume, die Namensschilder in Größe einer Scheckkarte trugen. Viel Bäume tragen keine Schilder, was heißt ,dass sie entweder noch nicht belegt sind oder die Angehörigen keine Schilder wollten.
Aber dieser trug ein Schild! Unter der Nummer 331 standen zwei Nahmen, die mir grell ins Auge sprangen, weil ich sie kannte!


Ein junger Mann aus Köln, vor Jahren gestorben, fand hier seine letzte Ruhestätte, darunter der Name seiner Mutter, sozusagen als Platzhalter für später. Sie lebt und ihr geht es gut, soweit ich weiß.
So hatte dieser Baum für mich plötzlich ein Gesicht, so wie ich auch die Atmosphäre im Wald wunderbar real fand.


Ein Ort, an dem man sich finden kann, und wo man nicht vergessen wird.


Sonntag, 1. März 2015

Kasim


Vor 12 Jahren zog er im Oktober 2002 bei uns ein: unser damals noch kleiner süßer Schäferhund-Boxer-Mischling.
Geboren wurde er in einem Westernstall in der Nähe von Bedburg. Wir waren durch Vermittlung eines Bekannten auf den Wurf Welpen aufmerksam gemacht worden.
Unverbindlich wollten wir uns die mal anschauen und hatten auf dem Rückweg Kasim, so wurde er spontan genannt, im Auto auf meinem Schoß sitzen.
Den Namen hatte unser persischer Freund kreiert, allerdings als witzige Bezeichnung für den erwarteten Nachwuchs einer Freundin.
Kasim eroberte sofort aller Herzen, er begleitete uns fortan an Seite unserer Schäferhündin Ayla überall hin.



Auf zunächst kurze Spaziergänge, bei denen der kleine Hund, angesichts des windigen Herbstwetters meistens unter der Jacke seines Herrchens getragen wurde.
Zum Glück wurde er dafür bald zu schwer und so tollte er über die umliegenden Felder, durch die Wälder, über die Weiden, im Garten, immer schneller, immer kräftiger, bald kaum noch zu bändigen.




Also musste eine vernünftige Hundeschule her. Die ließ sich aber nicht so leicht finden, und so erzogen wir den jungen Flegel nach bestem Können – schließlich hatten wir das ja auch bei unserer Schäferhündin geschafft.





Was man nicht unterschätzen darf, ist der Sozialkontakt in einer Hundeschule, der Kasim nun fehlte.
Außer seiner Freundin und den Nachbarshunden, die aber häufig auf dem Land das gleiche Problem, nämlich die mangelnde Erfahrung im sozialen Umgang mit anderen Hunden, hatten, konnte er dadurch kein angemessenes Sozialverhalten lernen. Er war und blieb ein Rüpel, was fremde Hunde betraf.
Einfacher war es mit Menschen, vor allem mit Kindern. Kasim liebte alle Zweibeiner abgöttisch, wich unseren Reiterkindern nicht von der Seite, bewachte alles, was in seinen Augen seiner Wachsamkeit bedurfte.
Ein einzigartiger Freund und Begleiter für die Kinder und später auch Enkelkinder!
Im Alter von 5 Jahren musste er sich für ihn unverständlich von seiner Freundin Ayla verabschieden. Vom Tierarztbesuch kam sie nicht wieder, weil eine Diagnose uns die Entscheidung, sie ins Regenbogenland zu schicken, in kurzer Zeit abforderte.

Da Kasim sichtbar litt, entschieden wir uns, eine Gefährtin für ihn zu uns zu nehmen und fanden mit Tammi eine Spielgefährtin, mit der er fortan tobte, sie beschützte und auch schon mal ärgerte.

Bei solch einer Toberei verletzte sich Kasim 3 Jahre später am Kreuzband und nach erfolgter OP drei Wochen später am Außenband desselben Beines.

Seitdem konnte er eigentlich nie wieder so lebendig toben wie früher, weil sich im Zuge der Rekonvaleszenz leider eine Hüfterkrankung zeigte, die ihn zusehends immobiler werden ließ.

In den folgenden Jahren lebte er mit seiner Behinderung tapfer und immer zufrieden mit dem, was ihm an Bewegungsmöglichkeiten blieb.







Aber irgendwann kam der Tag, an dem wir erkannten, dass es an der Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen, die uns unsagbar schwer fiel: wir wollten Kasim ein langsames qualvolles Dahinvegetieren ersparen. Ein Blick in seine Augen sagte uns immer öfter, wohin er gehen möchte. Er wollte einfach nur noch seine Ruhe haben, keine Schmerzen mehr, kein frustriertes hinter- Tammi -herschauen, wenn sie am Ende seiner wenigen Spaziermeter weiterlief. Verschiedene Begleiterkrankungen ließen ihn nicht mehr ruhig schlafen und machten ihm das Leben zusätzlich schwer.
So ist Kasim am Samstag, den 28.2.2015 nach 12 ½ Jahren wunderbaren Hundelebens friedlich in unseren Armen hier zu Hause eingeschlafen.
Vorher hat er uns nochmal gezeigt, was in ihm steckte.
Als hätte er gespürt, dass wir ihn nun gehen lassen konnten, lief er nochmal eine weitere Strecke auf seinem Lieblingsweg, schaute lange gedankenverloren über die Wiesen zum Wald, in den er in den letzten beiden Jahren schon nicht mehr gelangen konnte und verbellte sowohl Spaziergänger als auch die eintreffende Tierärztin.

Gute Reise Kasim, wir vermissen dich, du großartiger Kumpel.
Für uns war er ein Teil unseres Lebens – für ihn waren wir sein ganzes Leben – ich hoffe, wir haben es einigermaßen hinbekommen!