Sonntag, 25. Juni 2023

"Helden helfen" oder ein Tag als Helferlein beim Eifel Hero Triathlon

Da ich selbst keine Sportwettkämpfe mehr bestreite, dachte ich, es sei doch eine gute Idee, sich mal bei einem Sportereignis im Backoffice bzw. als Streckenposten zu bewerben.

Seit vier oder fünf Jahren gibt es bei uns den Eifel Hero Triathlon mit Volksdisziplin - ja, mit der hatte ich tatsächlich auch schon mal geliebäugelt - und dem Angebot, einer sogenannte Kurzdistanz, also nicht die klassische Triathlon-Distanz zu bestreiten. außerdem noch "swim and run" für die Kids! 

Wochenlang verfolgte ich die Fortschritte der Planung in den Medien und irgendwann zu später Stunde klickte ich auf den Button "Helfer werden" und so nahmen die Dinge ihren Lauf.

Mehrere Emails kündigten das kommende Ereignis mit entsprechenden Informationen für uns Helfer an und ich erfuhr den Ort meines Einsatzes: es war die Sperrung der Koblenzer Straße, überregional bekannt als B 258 in der Ortsdurchfahrt Blankenheim.

Das Wetter versprach einen heißen sonnigen Tag und so fuhr ich bester Laune mit dem Fahrrad - ein bisschen Sport muss sein - am Morgen den 24. Juni nach Blankenheim und schaute mir vor Ort schon mal meine Wirkungsstätte näher an. Bin da ja schon gefühlt 1000 mal gewesen, zu Fuß, mit dem Auto und dem Fahrrad, sogar schon zu Pferd!





Ich lernte meine Mitstreiter kennen, wir waren jeweils zu zweit an den einzelnen Sperrbaken eingeteilt und mein Kumpel Rolf und ich durften uns in den nächsten 6 Stunden in der prallen Sonne den vor der Sperrung auflaufenden Verkehrsteilnehmern widmen.

Ich lernte sehr verschiedene Reaktionen kennen: das übliche war, dass man erstaunt über die Sperrung war, nach dem Grund fragte, auf meine Frage sein Ziel nannte, meine Erklärung zu einer möglichen Umleitungsstecke hörte, weitere Fragen stellte und sich mit einem freundlichen "Dankeschön" verabschiedete. In der Rückschau würde ich sagen, das waren ca. 98% der Verkehrsteilnehmer.

Aber, jetzt wird's spannend, witzig oder gruselig, je nach Situation!

Da war der Anwohner, der genau an der Strecke wohnte, mit Sicherheit schon lange vorher von der Sperrung wusste, trotzdem an diesem sonnigen Samstagmorgen den schicken SUV zum Einkaufen mutzen musste. Er fand die Sperrung "unverhältnismäßig" und drohte mir persönlich mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, falls ich ihn nicht durchlassen würde. Ich ließ das höflicherweise unkommentiert! Und erfuhr später, dass ich an einen notorischen Querulanten geraten war!

Eine Autofahrerin kam schluchzend an die Sperre gefahren und "wollte einfach nur nach Hause". Angeblich waren alle Strecken "nach Hause" gesperrt. Die Erkundigung bei der Polizei ergab, dass sie sich auf Hörensagen von anderen Autofahrern "rund um Blankenheim ist alles zu!" verlassen hatte. So entstehen Gerüchte!

Im Laufe des Tages zeigte sich auch, wie viele Autofahrer bereits an der Abfahrt "Blankenheim" der A1 die falsche Spur gewählt hatten. Früher konnte man ja an der Autobahnausfahrt auch geradeaus Richtung Nürburgring fahren - diese Möglichkeit ist aber schon seit gut 1 Jahr verboten bzw. auch baulich unmöglich gemacht worden. Wenn man, evtl geführt durch ein altes NAVI System oder alte Gewohnheiten - "beim Urlaub in letzten Sommer ging das ja noch" - rechts abbog, konnte man nur noch Richtung Blankenheim fahren und wurde Richtung Nürburgring durch den Ort geführt und genau in die Sperrung hinein. Verständlich, dass das Verständnis der fehlgeleiteten Fahrer sich in Grenzen hielt.

Ebenso in Grenzen hielt sich auch mein Mitleid mit Zeitgenossen, die unbedingt meine Bitte ignorierend um die Absperrung herum doch noch in den verbotenen Bereich fahren mussten. Sie wurden von nächsten Streckenposten oder von der  Polizei mit einem Sonder- Ticket versorgt und trotzdem zurück geschickt.

Ein bisschen Sprachakrobatik war auch vonnöten. Niederländer, Polen, Russen, Ukrainer, die kein Deutsch, wenig oder gar kein Englisch sprachen. Trotzdem konnte ich allen irgendwie helfen. Auch dem jungen Russen, der außer "ich spreche kein Deutsch" nichts Verständliches vorbringen konnte, mir ein NAVI in kyrillischer Schrift vor die Nase hielt. Gemeinsam schafften wir es mit kreativer Zeichensprache, die richtige Richtung für seine Weiterfahrt zu finden.

Oder der VW voller junger Niederländer, die kein einziges deutsches Wort sprachen oder verstanden, nur 2 Schlagworte kamen von der Rückbank "Kring" und "Noordstrik"! Aha, die wollten zum Ring. Da schien am Wochenende ziemlich viel los zu sein! Ebenfalls in einem Ort namens "Esch"bei Gerolstein -was genau da los war, konnte auf meine interessierte Frage aber niemand sagen. Man kannte halt jemanden, der jemanden kannte. Da wäre ich gerne vor Ort gewesen!

Oder die verzweifelte Autofahrerin, die zum dritten Mal bei uns aufkreuzte, diesmal mit zweifacher Motoradbegleitung durch ein niederländisches Pärchen, das die arme Frau an einer Tankstelle angetroffen hatte. Es dauerte einige Zeit, bis wir endlich herausgefunden hatten, wohin sie wollte. Bei den ersten beiden Malen war ihr Ziel für unsere Hilfe zu ungenau definiert. Wir mussten etliche WhatsAPPs ihres Sohnes lesen, der sie zu einem geheimnisvollen Ort in der Vulkaneifel bestellt hatte. 

Immer wieder tauchte die Frage nach einer für alle passenden Umleitung auf, die man möglichst noch auf jedem NAVI vorfinden konnte. Aber, das liegt ja schon an der Tatsache, dass es in vielen Fällen nicht reicht, die Hauptrichtungen anzugeben, wenn die Betroffenen, selbst ortsfremd, überhaupt nicht wissen, in welche Richtung ihr Ziel liegt. 

Die Vielfältigkeit unserer Sprache wurde mir auch vor Augen geführt bzw. zu Gehör gebracht: Worte wie "Scheißsport" waren da noch die Harmlosesten. Die Verunglimpfung andersdenkender oder agierender Mitmenschen scheint heutzutage cool bzw. normal zu sein. Das besagte Wort kam im Übrigen von einem sehr korpulenten Menschen in einem SUV, der zu allem Überfluss noch vom Sohn, der seinem Vater begeistert zustimmte, begleitet wurde. Vorbild für die nachfolgende Generation?

Eine Französin, die eigentlich nur "nach Hause" wollte, zeigte soviel Humor, dass sie mich fragte, welche Richtung nach Trier ich denn wählen würde - rechts über die Landstraße bis zur Weiterführung der A1 oder links über die Bundesstraße - meine Antwort war ihr Befehl und sie dirigierte ihren Mann sofort in "meine" Richtung!

Allen, auch den schlecht Gelaunten, lächelte ich freundlich zu, wünschte ihnen eine gute Fahrt, einen schönen Tag/Ferienaufenthalt und trug so wenigstens zum Schluss zu einer Entspannung der Situation bei.

Fest steht, dass ich nächstes Jahr als Helferin wieder dabei sein werde, gerne auch wieder in Blankenheim an der B 258.